Transitionen von klassischen oder traditionellen zu agilen Unternehmensprozessen und –strukturen erfordert jede Menge Change Management, die bei jeden einzelnen Mitarbeiter im Unternehmen gefordert wird. Beispielsweise werde ich in Coaching-Gesprächen mit Coachees (d.h. Personen die gecoacht werden, insbesondere gecoachte ScrumMaster) häufig mit der wohl bekannten Phrase „Command-and-Control“ konfrontiert. Sei es „Seit ich denken kann, arbeite ich in Unternehmen die nach Command-and-Control funktionieren“, oder „In unserem Unternehmen herrscht ganz klar Command-and-Control“, oder aber auch „für meinen Vorgesetzten sind die Arbeitsberichte über den Stand der Arbeit das Wichtigste, er möchte alles unter Kontrolle haben“.
Bei „Command-and-Control-ism“ kann interpretiert werden
Command-and-Control, drei Wörter, die grossen Interpretationsspielraum über die Unternehmensstruktur und –kultur zulassen, aber auch über die Denk- und Handlungsweisen eines Individuums.
„Command-and-Control“-Verhaltensmuster gilt es abzubauen
Oben genannte Coaching-Gespräche haben mich dazu veranlasst wieder einmal Lyssa Adkins Buch „Coaching Agile Teams“ hervor zunehmen und ganz besonders in ihre Gedanken zu „Recover from Command-and-Control-ism“ einzutauchen. Sie beschreibt darin die notwendigen agilen Sichtweisen, nachdem man die verankerten Gedanken und Handlungsweisen eines primär Command-and-Control-denkenden Menschen abgebaut hat. Diese Sichtweisen diskutiere ich häufig mit meinen Coachees, da sie eine hervorragende Diskussionsgrundlage darstellen und zu einem aktuellen agilen Eigenbild führen:
- Sei losgelöst vom Endergebnis.
Das Team benötigt den Raum und die Ideen sich zu verwirklichen, um das beste Produkt zu entwickeln. Versuch Dich nicht in Details einzubinden, sondern fokussiere darauf, wie das Team zusammenarbeitet. So kann die Qualität ihrer Arbeit verbessert werden. - Nimm es mit zum Team.
Auch wenn es manchmal schwierig ist sich einzugestehen, dass man nicht die richtige Person ist, die ein Problem im Team lösen sollte. Seien es bspw. Probleme im Produkt oder Probleme in der Teamzusammenarbeit. Statt einen Lösungsweg bereit zu haben, soll das Team besser mit der Problemstellung konfrontiert werden. Das Team wird die Hauptursache finden und verbessernde Lösungswege aufzeigen. - Sei ein Spiegel.
Reflektiere das Verhalten oder die Symptome ohne Wertung zurück. - Kontrolliere Deine Wörter und Deinen Gesichtsausdruck.
Die Kommunikation sollte neutral gewählt sein. Der Gesichtsausdruck ebenfalls beherrscht und ohne wertenden Ausdruck. Emotionalität sollte nur dann gewählt werden, wenn der Auslöser das Team ist. Bewertet man dennoch einen Sachverhalt durch Kommunikation, Mimik oder Gestik, so besteht die Möglichkeit, dass das Team diese Bewertung annimmt. Somit würde man nicht auf die eigentliche Ursache zu sprechen kommen. - Lass die Ruhe zu.
Eine unangenehme Stille sollte zugelassen werden. Wenn jemand aus dem Team die Stille als unangenehm empfindet, dann wird er diese Gelegenheit nutzen, um sie zu unterbrechen und möglicherweise etwas Wichtiges anzusprechen. - Hindernisse aufbrechen.
Erkennt man Zustände, die das Team in Ihrer Entwicklung hindert oder sogar hemmt, sollen diese aufgedeckt und mit dem Team diskutiert werden. Die sich daraus ergebende Potentiale sind häufig verblüffend. - Lass das Team scheitern.
Sicherlich sollte man das Team nicht wissentlich mit 180 km/h gegen eine Wand fahren lassen. Aber, während eines Sprints gibt es zahlreiche Situationen die genutzt werden können, um ein Team dosiert scheitern zu lassen. Teams die gemeinsam scheitern und sich davon wieder gemeinsam erholen sind anschliessend schneller und stärker als die Teams, die beschützt werden. - Sei immer ihr grösster Fan, aber sei vorsichtig.
Lobe das Team, sei Dir aber bewusst wofür. Ein Lob über die gute Arbeit des Teams wäre nicht nachhaltig genug, die Arbeit kommt und geht. Ein Lob darüber, dass sich jeder einzelne im Team verbessert hat und der Zusammenhalt viel stärker geworden ist, macht jedes Team noch grossartiger. Der Fokus der Botschaft sollte darauf gelenkt werden, wie sehr viel besser sie sind – und zwar als Team.
Sollte Ihnen einer der 8 Sichtweisen einen leichten Schreck eingejagt haben, so ist Ihr Command-and-Control-ism immer noch da und noch nicht vollständig abgebaut. Es benötigt noch etwas Zeit und ein stärkeres Vertrauen zu den Teams.
Im Coaching bewertet der Coachee mit mir zusammen seinen „Grad an Command-and-Controlism“. Wenn der Coachee sich mit einer Sichtweise identifiziert, bekommt er einen Punkt, maximal können 8 Punkte erreicht werden.
Wieviel Punkte haben Sie? Ich freue mich über Ihr Feedback.
Ihr Dr. Patrick Seifried
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Quelle:
Link: „Coaching Agile Teams – A Companion for ScrumMaster, Agile Coaches, and Project Managers in Transition”, Lyssa Adkins, Addison-Wesley, 2010.